10. März 2006
Die Staatsmacht bleibt noch eine Weile
Gerade komme ich von der Universität zurück. Die Polizei hat nun das Gelände um die Sorbonne systematisch abgeriegelt. Die Schäden der letzten Nacht wurden freilich weitetgehend beseitigt, um die Touristen nicht zu verschrecken, die an der ganzen Aktion bis jetzt ein reges Interesse gezeigt haben. Nach Ankündigung der "Behörden" bleibt die fac auch morgen noch geschlossen.

Alles in allem sieht die Situation so aus, dass sich die Polizei auf massiveren Wiederstand gegen die unbotmäßige Schließung der Paris IV eingestellt hat. Mitlerweile ist auch der Fernsehsender canal+ am Ort des Geschehens eingetroffen. Es bleibt abzuwarten wie die Studenten im Laufe des Tages reagieren werden. Ob sich die gestrigen Szenen heute Abend noch einmal wiederholen wird sich wohl im Laufe des Nachmittags entscheiden.

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Die Gewalt des Staates - ein Augenzeugenbericht
Der 9. März 2006 wird wohl als der Tag nach 68 in die Geschichte der Sorbonne eingehen. Alles sollte mit einem harmlosen Studentenstreik beginnen und endete schließlich in der Verwüstung des Pariser Studenten Viertels Quartier Latin.

Schon am Mittag hatten Studenten im Zuge einer Demonstration, die sich gegen die Einführung des CPE - einer Aufweichung des Arbeitsrechtes für unter 26jährige - richtete, die Rektorate und Hörsääle der Paris IV besetzt. Schon am Mittag, war, wie bereits die Tage zuvor die Polizei anwesend; und wie schon Tage zuvor hinderte die Polizei die Studenten daran die Universität zu betreten.

Wahrscheinlich auf Geheiß des, seit den Pariser Unruhen vom Herbst letzten Jahres als radikal verschriehenen Innenministers Sarkosy, wurde dann noch die CRS eingesetzt, die hierzulande mit dem Bundesgrenzschutz vergleichbar wäre.

Obwohl, die Demonstartion bis zum Abend friedlich verlaufen war, wurden immer mehr Polizeieinheiten zur Sorbonne geschickt, deren Auftreten alles andere als Deeskalation versprach und hierzulande bestenfalls, bei einem terroristischen Angriff zum Einsatz käme. Soll heißen: Vollkörperpanzerung, Helm, Antiterrorschild und leichte Bewaffnung waren die Standartausrüstung.

Als sich dann gegen 21 Uhr eine Blaskappele zur solidarischen Unterstützung einfand und die Stimmung unter den Demonstranten bereits in eine eher harmolse umschlug, feuerte die Polizei in die Gruppe der Musiker eine Salve Tränengasgrannaten, von denen auch der Autor dieses Artikels nicht unberührt geblieben ist.

Die Sicherheitskräfte riegelten das Areal schließlich von allen Seiten ab und begannen nach einiger Zeit die Studenten systematisch mit Tränengas die Staße hinunter zu treiben, wo es dann zu Ausschreitungen zwischen der Polizei und des Demonstranten kam. Straßensperren wurden errichtet und zahlreiche Schaufenster eingeschlagen.

Gegen 24 Uhr fand sich die von der Polizei getriebene Menge dann am Brunnen von Saint Michel ein, wo wieder Barikaden errichtet und wurfmaterial gesammelt wurde, allerdings ließen es die Offiziellen diesmal nicht so weit kommen, wie noch kurz zuvor und wartete ab, bis sich der Pulk der Aufrührer langsam aber sicher in den Gassen um Saint Michel verlief.

Es ist schon erstaunlich und für einen Europäer eigentlich fast undenkbar, mit welcher Gewalt und vor allem mit welcher unverhältnismäßigen Zahl an Polizisten der französische Staat gegen eine hand voll Studenten vorgeht. Es wurden weder Versuche zur Schlichtung unternommen, noch hat sich auch nur ein Politiker am Schauplatz des Geschehens eingefunden, um etwaige Verhandlungen aufzunehmen. Auch ist von Seiten der Besetzer angekündigt worden, dass die Okkupation lediglich einen Tag und eine Nacht dauern sollte; es wurde demnach von dieser Seite bereits ein Entgegenkommen signalisiert.

Was also als harmloser Streik begann führte schnell zur Eskalation, die allerdings ganz klar von den Sicherheitskräften forciert wurde. Was der Staat in den banlieus nicht zu stande bringt, schafft er dafür aber um so besser in der ohnehin schon friedlichen Innenstadt. Gerade dort, wo ein Eingreifen von dieser Härte völlig fehl am Platze ist, zeigt der Staat präsenz. Am Ende ging es auch nicht mehr um die CPE, sonder um den symbolischen Kampf; um die älteste Universität der Stadt. Spätestens morgen wird sich dann herausstellen, wie die Offiziellen zu dieser Eskalation, die ganz klar von der Staatsgewalt ausging, Stellung bezieht. Ein ausführlicher Bericht bleibt also noch abzuwarten.

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