14. März 2006
Die Staatsmacht bleibt, der Protest bleibt - wo bleibt die Einsicht
Seit den frühen Morgenstunden des 12. März 2006 ist die Besetzung der Sorbonne offiziell für beendet erklärt. Beendet? Nein. Die Besetzung fängt jetzt erst an. Nicht aber durch demonstrierende Studenten, sondern durch die CRS, die das Gebäude kurzerhand zur Einsatzzentrale gemacht hat.

Eine Spezialeinheit der CRS stürmte gegen vier Uhr morgens das Gebäude, wobei es zahlreiche Verletzte gab. Dennoch ist die Besetzung der Universität noch nicht beendet, den die CRS-Truppen machen bis jetzt noch keine Anstalten den Ort des Geschehens zu räumen. Angeblich, so die offizielle Stellungnahme, kam es in der Sorbonne zu so massiven Sachbeschädigungen, dass diese auch für die nächste Woche unbetretbar bleibt. Es wäre jedoch zu untersuchen, ob die Schließung der Universität nicht aus strategischen Gründen geschieht. Derweil haben sich zahlrreiche Universitätsrektoren der übrigen fünfzig in Frankreich geschlossenen Unis zu Wort gemeldet. Sie beziehen nun nach und nach Stellung gegen die CPE, da sie sich mit einem Einlenken de Villepins die Rückkehr der Normalität an den Hochschulen versprechen. Der Protest geht derweil mit unverminderter Härte weiter. Am gestrigen Nachmittag kam es in der Stadt wieder zu zahlreichen Demonstrationen, wobei hauptsächlich die großen Verkehrsknoten betroffen gewesen sein dürften. Wie immer konzentrierten sich die Ausschreitungen, der sonst friedlich verlaufenen Aktionen vor der Sorbonne.

In der Le Monde wurde heute eine Photostrecke veröffentlicht, die aber hauptsächlich die Gewalt der Demonstranten zeigt. Nach alter Manier werden hier wieder Medien manipulativ eingesetzt und sollen, wie schon die Tage zuvor, die Öffentlichkeit von der Unbescholtenheit der Polizei überzeugen. Stattdessen werden in Zahlreichen beiträgen die Protestierenden militant genannt. Dennoch kann man wohl kaum von Propaganda sprechen, als vielmehr von den Indikatoren einer voreingenommenen Berichterstattung. Diese ist, mit Außnahme einiger weniger unabhängiger Zeitungen, leider eine gängige Praxis. Voraussichtlich werden sich die Auseinandersetzungen auch noch bis in die nächste Woche hinein ziehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich an der Berichterstattung dann noch etwas ändern wird.

Es stellt sich noch die Frage nach der Besetzung der Sorbonne. Wer ist für den angeblich so immensen Sachschaden eigentlich verantwortlich, der hier als offizieller Grund für die anhaltende Schließung des Gebäudes angeführt wird? Sind die Schuldigen auf Seiten der Studenten zu suchen, oder könnte es auch so sein, dass die Polizei die Einrichtungen und Computer zerstört hat, wie eine inoffizielle Quelle berichtet. Soches soll in der Vergangenheit schon öfters passiert sein. Die CRS ist bekannt für ihr hartes Vorgehen und es werden Vermutungen laut, dass sie mit solchen Inszenierungen ihren Einsatz zu legitimieren versucht. Die Offizielle Seite berichtet nämlich lediglich von randalierenden Studenten. Ob nun die CRS, oder die Studenten den Schaden in der Sorbonne verursacht haben, bleibt für den Außenstehenden aber letztlich unentscheidbar. Es ist auch damit zu rechnen, dass sich die Proteste gerade dort bündeln, wo sich der Widerstand der Staatsgewalt am deutlichsten manifenstiert. Warum also gerade die Universität, obwohl es unzählige Orte gäbe, die als Planungszentrale eventuell besser geeignet wären und die nicht ein solch provokatives Potenzial hätten.

Für Donnerstag sind von der Union nationale des étudiants de France, kurz UNEF, wieder allgemeine Demonstartionen angekündigt worden. Man kann also davon ausgehen, dass sich auch morgen Abend die Gegner wieder gegenüber stehen - vor der Sorbonne. Es stellt sich also die berechtigte Frage, warum die Polizei diesen Standort nicht aufgibt und zur Deeskalation beiträgt, indem sie sich auf ein anderes Gebiet konzentriert? Man wird einwenden können, dass die Sicherheitskräft aus rein strategischen Gründen ihre Stellung halten. Die Sorbonne befindet sich mitten in der Stadt, die Einsatzleitung hat sich bereits "eingegraben" und ein Standortwechsel wäre für die Koordination der Einheiten mit umständlichen Unterbrechungen verbunden. Es frägt sich aber, worum es bei dieser ganzen Aktion letzlich geht sollte, wenn nicht um Deeskalation. Für diese wird aber leider nichts getan. Es gibt keine Einsicht in die Provokation durch die Anwesenheit der Polizei und ich bin mir sicher, dass durch deren Rückzug auch die Demonstartionen in diesem Gebiet abflachen würden. Umgekehrt sollte selbstredend auch von den Demonstranten ein Gewaltverzicht gefordert sein. Und es ist absolut intolerabel, daß es immer wieder Demonstranten gibt, die den Protest mit Randale verwechsel.

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