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8. September 2006
Im Kino gewesen...geträumt - das Neueste in aller Kürze
texturmutant, 16:02h
Ich bin gerade etwas im Umzugsplanungsstreß, darum bespreche ich nur in aller Kürze was das Kino in letzter Zeit so bereit gehalten hat:
"Kashin no irezumi : ureta tsubo" (aka "La Vie secrète de Madame Yoshino") - Masaru Konuma, Japan 1976
"La Vie secrète de Madame Yoshino" zeigt die Geschichte der schönen Theaterausstatterin Michiyo Yoshino. Sie ist schön, elegant und reizvoll, verbringt ihre Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes jedoch hauptsächlich damit, als Accessoiristin für das Kabuki Theater traditionelle Papierpuppen zu fertigen, welche die berühmten Figuren des Theaters symbolisieren.
Die Witwe lebt zusammen mit ihrer heranwachsenden Tochter, die selbst in einer fatalen liebesbeziehung steckt und zu alledem eine tiefsitzende Eifersucht auf die Schönheit der Mutter hegt. Eines Tages lernen mutter und Tochter Hideo kennen, der eben der Sohn des Schauspielers ist, der Michiyo in ihrer Jugend vergewaltigt hat.
Eine unerbitterliche Rivalität um die Liebe und vor allem den Leib des Mannes entsteht zwischen Mutter und Tochter. Der Film kulminiert schließlich in einer phantastischen Tätowierszene. Der Mann schreibt sich buchstäblich in den weiblichen Körper ein und erfüllt damit einen phallischen Akt, der Michiyo schließlich zum Verhängnis wird.
"Ai no corrida" (aka "L'Empire des sens") - Nagisa Oshima, Japan 1976
Dieser zutiefst zwingende Film dürfte wohl aufgrund seiner expliziten Darstellung zu einer der umstrittensten Arbeiten der späten 70er Jahre gehören. Oshima zeichnet mit L'empire des sens die Genese einer Leibesbeziehung, die sich entgegen der alltäglichen Erfahrung immer mehr zum exzessiven Zusammensein verdichtet. Gleichzeitig wirken für den Zuschauer die unverstellten Bilder von Sex und Strangulation gegen Ende des Filmes immer anästhesierender, bis schließlich das Bild der Kastration, auf den die Geschichte hinausläuft zum schokierenden, aber durchaus erträglichen Schauspiel wird. Exzess und die Progression des Exzesses haben hier scheinbar nur die Funktion uns auf diese Urszene vorzubereiten.
Oshimas Meisterwerk berührt damit nicht nur eine Facette des Zusammenleben von Mann und Frau, sondern er macht uns auf die Methaphysische Verbindung aufmerksam, die bei Lacan mit den Begriffen "Sein" und "Haben" erklärt wird. Der Versuch diese Verfehlung in einem der beiden Bereicht aufzuheben endet mit der zerstörung des anderen und damit in bloßer Indifferenz.
"Mr. Freedom" - William Klein, Frankreich 1969
Kleins gelungene Satiere auf den amerikanischen Expansionismus der 60er Jahre erzählt die Geschichte des Superhelden Mr. Freedom, der von der Freedom Inc. nach frankreich geschickt wird, um den aus der Schweiz herüberschwappenden Kommunismus aufzuhalten und gleichzeitig den Franzosen die Demokratie zu bringen.
Die Heldentaten des Mr. Freedom beschränken sich jedoch im Allgemeinen auf belanglose Aktionen, Paraden, lächerliche Selbstinszenierungen und völlig übertriebene Gewalt. Amos Vogel fällt zu diesem überaus unterhaltsamen Film auf, daß "der Vermischung von Politik und Sex [...] die modernen linken Intellektuellen nicht wiederstehen zu können [scheinen]" (Amos Vogel, Film als subversive Kunst, Reinbeck/Hamburg 2000, S. 149). Und so besteht der Film aus vielerlei Sequenzen, in denen sich Frauen beim Anblick des Superhelden die Kleider vom Leibe reißen, oder Freedom sich verschiedene Schönheiten "nimmt".
Bemerkenswert ist dieser Zug vor allem auch desshalb, weil sich Mr. Freedom am Ende de Filmes als Maschiene enttant, der ein Arm an Drähten und Schläuchen herunter hängt. Die moderne Linke scheint also auch der Vermischung von Sex und Mechanik nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber zu stehen.
"Sedmikrasky" - Vera Chytilová, Tschecheslowakei 1966
Ein näckischer Film über die Ausschweifungen zweier junger "Schönheiten", der im dadaistischen Ambiente und seinen Bild und Schnittfolgen eben den naiv-kindlichen Spaß seiner Protagonistinnen Marie I und Marie II aufgreift. Nichts ist den beiden heilig; Fressorgien, Essensschlachten, Männer betrügen und sogar dass Zerschneiden des Films umfassen die verschiedenen Zufälligkeiten auf einem Streifzug durch einen dekadenten Lebenswandel. Hinter dieser amüsierenden tour de force von Farbe und Form verbirgt sich aber auch gleichzeitig die Einsicht, daß sich dieses Spiel nicht endlos fortsetzen läßt und so werden die beiden am Ende - wenn auch nicht sichtbar - von einem herabfallenden Krohnleuchter erschlagen.
Filmgeschichtlich markiert Chytilovás grandioses Experiment einen ästhetischen Bruch mit den bis dahin vorherrschenden Lehrbuchfilmen des "Sozalistischen Realismus". Lange Zeit verboten und schließlich im Prager Frühling zu verdienten Ehren gekommen dürfte Sedmikrasky wohl einer der wichtigsten und zugleich erfrischendsten Filme der ehemaligen Tschecheslowakei sein.
"Water" - Deepa Mehta, Kanada/Indien 2005
Water ist die ergreifende Geschichte der kleinen Chuyia, der nach dem Tot ihres "Mannes" das Leben in einem Witwenhaus droht. Zu klein um das Außmaß dieses Loses zu begreifen, freundet sie sich mit den beiden Frauen Kalyani und Bhagavati an, die im klösterlichen Leben des Heimes die beiden einzigen Personen darstellen, die auf ihr Schicksal als ein zutiefst ungerechtes und grausames reflektieren. Als Kalyani schließlich durch eine Zufall Narayan den Sohn eines Bramahnen kennen lernt, überschlagen sich die Ereignisse.
Parallel thematisiert Mehta die bevorstehende Ankunft Gandis in der Heiligen Stadt Varanasi, nachdem er 1938 aus der Haft entlassen worden war. Die Befreiung der Frauen sowohl im Indien der 30er Jahre, als auch im Indien der Gegenwart kann nur von den Frauen selbst ausgehen. Mit diesem ausgezeichneten Drama zeigt Deepa Mehta, daß sie diesen Weg geht.
Eine Ausführliche Kritik von Stefan Höltgen gibt es hier.
"Kashin no irezumi : ureta tsubo" (aka "La Vie secrète de Madame Yoshino") - Masaru Konuma, Japan 1976
"La Vie secrète de Madame Yoshino" zeigt die Geschichte der schönen Theaterausstatterin Michiyo Yoshino. Sie ist schön, elegant und reizvoll, verbringt ihre Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes jedoch hauptsächlich damit, als Accessoiristin für das Kabuki Theater traditionelle Papierpuppen zu fertigen, welche die berühmten Figuren des Theaters symbolisieren.
Die Witwe lebt zusammen mit ihrer heranwachsenden Tochter, die selbst in einer fatalen liebesbeziehung steckt und zu alledem eine tiefsitzende Eifersucht auf die Schönheit der Mutter hegt. Eines Tages lernen mutter und Tochter Hideo kennen, der eben der Sohn des Schauspielers ist, der Michiyo in ihrer Jugend vergewaltigt hat.
Eine unerbitterliche Rivalität um die Liebe und vor allem den Leib des Mannes entsteht zwischen Mutter und Tochter. Der Film kulminiert schließlich in einer phantastischen Tätowierszene. Der Mann schreibt sich buchstäblich in den weiblichen Körper ein und erfüllt damit einen phallischen Akt, der Michiyo schließlich zum Verhängnis wird.
"Ai no corrida" (aka "L'Empire des sens") - Nagisa Oshima, Japan 1976
Dieser zutiefst zwingende Film dürfte wohl aufgrund seiner expliziten Darstellung zu einer der umstrittensten Arbeiten der späten 70er Jahre gehören. Oshima zeichnet mit L'empire des sens die Genese einer Leibesbeziehung, die sich entgegen der alltäglichen Erfahrung immer mehr zum exzessiven Zusammensein verdichtet. Gleichzeitig wirken für den Zuschauer die unverstellten Bilder von Sex und Strangulation gegen Ende des Filmes immer anästhesierender, bis schließlich das Bild der Kastration, auf den die Geschichte hinausläuft zum schokierenden, aber durchaus erträglichen Schauspiel wird. Exzess und die Progression des Exzesses haben hier scheinbar nur die Funktion uns auf diese Urszene vorzubereiten.
Oshimas Meisterwerk berührt damit nicht nur eine Facette des Zusammenleben von Mann und Frau, sondern er macht uns auf die Methaphysische Verbindung aufmerksam, die bei Lacan mit den Begriffen "Sein" und "Haben" erklärt wird. Der Versuch diese Verfehlung in einem der beiden Bereicht aufzuheben endet mit der zerstörung des anderen und damit in bloßer Indifferenz.
"Mr. Freedom" - William Klein, Frankreich 1969
Kleins gelungene Satiere auf den amerikanischen Expansionismus der 60er Jahre erzählt die Geschichte des Superhelden Mr. Freedom, der von der Freedom Inc. nach frankreich geschickt wird, um den aus der Schweiz herüberschwappenden Kommunismus aufzuhalten und gleichzeitig den Franzosen die Demokratie zu bringen.
Die Heldentaten des Mr. Freedom beschränken sich jedoch im Allgemeinen auf belanglose Aktionen, Paraden, lächerliche Selbstinszenierungen und völlig übertriebene Gewalt. Amos Vogel fällt zu diesem überaus unterhaltsamen Film auf, daß "der Vermischung von Politik und Sex [...] die modernen linken Intellektuellen nicht wiederstehen zu können [scheinen]" (Amos Vogel, Film als subversive Kunst, Reinbeck/Hamburg 2000, S. 149). Und so besteht der Film aus vielerlei Sequenzen, in denen sich Frauen beim Anblick des Superhelden die Kleider vom Leibe reißen, oder Freedom sich verschiedene Schönheiten "nimmt".
Bemerkenswert ist dieser Zug vor allem auch desshalb, weil sich Mr. Freedom am Ende de Filmes als Maschiene enttant, der ein Arm an Drähten und Schläuchen herunter hängt. Die moderne Linke scheint also auch der Vermischung von Sex und Mechanik nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber zu stehen.
"Sedmikrasky" - Vera Chytilová, Tschecheslowakei 1966
Ein näckischer Film über die Ausschweifungen zweier junger "Schönheiten", der im dadaistischen Ambiente und seinen Bild und Schnittfolgen eben den naiv-kindlichen Spaß seiner Protagonistinnen Marie I und Marie II aufgreift. Nichts ist den beiden heilig; Fressorgien, Essensschlachten, Männer betrügen und sogar dass Zerschneiden des Films umfassen die verschiedenen Zufälligkeiten auf einem Streifzug durch einen dekadenten Lebenswandel. Hinter dieser amüsierenden tour de force von Farbe und Form verbirgt sich aber auch gleichzeitig die Einsicht, daß sich dieses Spiel nicht endlos fortsetzen läßt und so werden die beiden am Ende - wenn auch nicht sichtbar - von einem herabfallenden Krohnleuchter erschlagen.
Filmgeschichtlich markiert Chytilovás grandioses Experiment einen ästhetischen Bruch mit den bis dahin vorherrschenden Lehrbuchfilmen des "Sozalistischen Realismus". Lange Zeit verboten und schließlich im Prager Frühling zu verdienten Ehren gekommen dürfte Sedmikrasky wohl einer der wichtigsten und zugleich erfrischendsten Filme der ehemaligen Tschecheslowakei sein.
"Water" - Deepa Mehta, Kanada/Indien 2005
Water ist die ergreifende Geschichte der kleinen Chuyia, der nach dem Tot ihres "Mannes" das Leben in einem Witwenhaus droht. Zu klein um das Außmaß dieses Loses zu begreifen, freundet sie sich mit den beiden Frauen Kalyani und Bhagavati an, die im klösterlichen Leben des Heimes die beiden einzigen Personen darstellen, die auf ihr Schicksal als ein zutiefst ungerechtes und grausames reflektieren. Als Kalyani schließlich durch eine Zufall Narayan den Sohn eines Bramahnen kennen lernt, überschlagen sich die Ereignisse.
Parallel thematisiert Mehta die bevorstehende Ankunft Gandis in der Heiligen Stadt Varanasi, nachdem er 1938 aus der Haft entlassen worden war. Die Befreiung der Frauen sowohl im Indien der 30er Jahre, als auch im Indien der Gegenwart kann nur von den Frauen selbst ausgehen. Mit diesem ausgezeichneten Drama zeigt Deepa Mehta, daß sie diesen Weg geht.
Eine Ausführliche Kritik von Stefan Höltgen gibt es hier.
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