7. März 2006
Kino/Tip(p): Lumières Schleuder
Die Lumiéres gelten allgemein als die Erfinder des Kinos und oft wird "L'arrivée d'un train a la Ciotat" (1895) als deren erster Film gefeiert. Interessant dabei ist, das besagter Film gerade mal 10 Sekunden lang ist und dass die Lumières noch einen weiteren Kurzfilm vor diesem historischen Spektakel veröffentlicht hatten. Nämlich den weniger bekannten "La sortie des usines Lumière" (1895), wie der Direktor des Lumière Institutes Thierry Frémaux glaubhaft versichert.

Bei der heutigen Soirée wurden, begleitet von einem Vortrag Frémauxs eine Auswahl der 40 wichtigsten Fragmente im Traditionskino "Le Champo" vorgestellt, was unter dem Gesichtspunkt der Seltenheit, mit der man in den Genuß eines solchen Spektakels kommt, ein ganz eigene Qualität hatte. Begleitet und kommentiert wurden die Szenen, wie gesagt, von Frémaux, der sich nicht nur als extrem guter Kenner der Geschichte der Lumières auszeichnete, sondern der auch seine Qualitäten als Redner gekonnt unter beweis gestellt hat.

Dieser Blick auf die Kinogeschichte offenbarte aber neben der historischen Draufsicht auch noch einen Einblick, dahin, wie sich das Gedächtnis des Kinos von damal zu heute verändert hat. Die Lumières haben nämlich neben ihren zahlreichen Inszenierungen vornehmlich Zeitgeschichtliches zu dokumentieren versucht, dabei aber unbewußt die Strategien der Industrialisierung dokumentiert. Wenn in "Champs Elysée" beispielsweise ein Mann beinahe von einem der zahlreichen Fuhrwerke überfahren wird deutet sich hier bereits ein Entfremdungsmechanismus an, der sich im maschinellen Tackt der Apparate - einem erotischen Tackt - bereits als Konflikt mit der eigenen Identität herausstellt.

Nachtrag: Ich musss mich mal eben für den respektlosen Titel entschuldigen, aber man hat mir nahegelegt, ich solle etwas interessantere Überschriften gestalten, um im Datenjungle nicht ungehört zu bleiben, da mir sonst nix eingefallen ist (was hoffentlich kein Zeichen meiner unkreativität ist), hab ich den Titel in Anlehnung an die Kinderaufnahmen gewählt, die ebenfalls gezeigt wurden. Eine war dabei, die mich sehr beeindruckt hat: Es war eine Aufnahme, die August Lumière in Indochina gemacht hatte und die zwei Europäerinnen in weißen Kleidern zeigt, die irgendwelche Goodies, die man leider nicht genau erkennt, von einer Schnur abzeihen und einer Horde einheimischer Kinder vorwerfen, die sich wie die Wilden darüber her macht. Die Ganze Szene erinnert aber eher an Entenfüttern. Frémaux meinte dazu, dass solche Bilder aber beim damaligen kolonialistisch geprägten Selbstverständnis keinen Anstoß erregt hatten, sondern eher Neugier auf die Fremdländer....all right.

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Tipp
Wenn du deinen Einträgen individuellere Überschriften gibst, werden sie im RSS-Feed auch abwechslungsreicher angezeigt. Derzeit steht dort nämlich:

1. Kino
2. Kino
3. Electrolux
4. Mohammed lächet durch ein Netz ... (die ist gut!)
5. Irreversible Grippe (auch gut, aber hoffentlich falsch!)
6. Getrennt
7. Gesehen

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Na ganz so irreversible wahr die Grippe dann doch nicht, aber der Film bleibt trotzdem Scheiße. Frei nach dem Motto: Wie schockiere ich? Stellt sich mir die Frage nach der Legitimation von dieser Fiktion. Wenn man deinem Rothenburg-Artikel folgt, wäre ja in diesem Fall das Kino der Ort, an dem die Traumata verarbeitet werden, indem man sie zu einer sinnvollen Narration verdichtet. Gut, das ist Ricoeur, wo ist aber die sinnvolle Narration in Irreversible? Ich finde, das Noe eben diese durch den Schnitt zerstört. Hierin läge auch der einzige philosophische Zusammenhang, den ich ausmachen konnte.

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Na,
ich wäre der letzte, der dem Kino eine Intention unterstellen würde. Es ist natürlich nicht so, dass jeder Film den Verstehensprozess motivieren muss - vielmehr muss man sich den aus den Narrationen ableiten wollen. Es mag einige Zeitgenossen geben, die das auch bei "Irreversible" können ... ich jedenfalls bin bei dem Film immer nur bis zu der zynischen Vergewaltigungsszene gekommen und musste dann abschalten.

Provokation indes kann auch ein "Anstoß" sein. Ich denke, die Transgression, die Noe in "Irreversible" betreibt, hat genau das zum Ziel.

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Hm
Natürlich muss nicht jeder Film einen Verstehensprozess einleiten und dennoch ist das Kino ein Indikator für Gesellschaftliche Prozesse, ob die nun nachträglich in den Film gelangen oder nicht sei mal dahin gestellt. Als Spiegel eines kollektiven Ausdruckes fungiert es aber...
Die Provokation hinter Noes Film ist offensichtlich, ich verstehe nur nicht warum er provozieren will. Mir ist der Zusammenhang zwischen der ästhetischen und der Inhaltlichen Provokation nicht klar und da stellt sich bei mir der Verdacht ein, dass er einfach nur der Provokation wegen provoziert...billig!
Der Rest des Films nach der Vergewaltigungsszene ist auch Scheiße. Alltag, Belanglosigkeit...die Frau war schwanger (ach wie schrecklich, noch ein Schicksalsschlag...)...igit...
Er schaft dadurch mit Mühe und Not eine Halbseidene Moralgeschichte draus zu spinnen, macht immer wieder Parallelen auf, zwischen dem ehelichen Sex und der Vergewaltigung, weil ihr Stecher ihr auch die ganze Zeit am Arsch rumdoktert und so....uhhh der böse Sex hat immer was mit Gewalt zu tun: wirklich ist das so: ja verdammte Scheiße, wir sprechen hier über Penetration....ich könnte mich schon wieder aufregen, wenn ich nur dran denke....:@

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ups..ich hab mir ja vorgenommen nurnoch in Mohammedkonformen Emoticons zu fluchen:


(((8~{@>

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