6. November 2005
In Memory of Rebecca
Wie ich vor einiger Zeit angedeutet hatte, arbeite ich gerade an einem Artikel für die Zeitschrift Thesis. Mein Thema ist das Gedächtnis im/des Films, wobei mich besonders der Aspekt der Identiät interessiert, die nach Ricoeur durch narrative Strategien konstruiert wird. Soll heißen, eine Subjektive oder kollektive Identität ist nichts anderes als eine Geschichte - eine narrative Identität.

Gestützt wird diese These von dem bekannten Gedächtnisforscher Daniel Schacter, der eben dieses identitätsstiftende Moment in seinem Buch "Wir sind Erinnerung" thematisiert. Besonders Interssant ist hierbei der Begriff des "Erinnerungserlebnisses", den Schacter in den ersten Kapiteln prägt. Dieses Erinnerungserlebnis stellt sich ein, wenn wir uns bestimmte Gedächtnisspuren, sogenannte Engramme, zu einer komplexen Erinnerung verdichten.

Dabei ist es aber notwendig die Lückenhaftigkeit dieser Engramme zu berücksichtigen. Es gibt nach Schacter keine Vollständigen Erinnerungen, es gibt nur fragmente, die dann vom Erinnerer zu einer Geschichte zusammengesetzt und ergänzt werden. [Der Begriff des Engramms geht auf den Pionier der Gedächtnisforschung Richard Semons zurück.]

Das gerade diese Lücken aus Psychoanalytischer Sicht sehr interessant sind dürfte spätestens hier klar sein. Es sind gerade diese Brüchstückhaften Erinerungen, wagen andeutungen und Unsicherheiten, die Hitchcocks Rebecca auszeichnen. Der Film spielt mit den manigfachen Verstrickungen die sich ergeben, als der reiche Mr. de Winter nach dem Tod seiner Frau Rebecca die naive und viel zu junge "zweite Mrs. de Winter heiratet.

Als er sie auf sein Anwesen nach Menderly mitnimmt, offenbart sich ihr ein Palast des Andenkens an die verstorbene Ehegattin. Das Gebäude ist eine Archiv des Nicht-Vergessens, welches zu allem Verdruss auch noch von der früheren Haushälterin Rebeccas, Mrs. Denver, mit neurotischem Ernst gepflegt wird. Allerdings spricht niemand mit der neuen Mrs. de Winter über den tragischen Tod ihrer Vorgängerin und so versucht sie anhand der Spuren diese Geschichte zu rekonstruieren. Das sie diese Gedächtnisarbeit immer mehr von ihrem Mann entfremdet, wird schließlich von dem auftauchen des "echten Leichnams" unterbrochen und plötzlich bekomt der Film, in alter suspense Manier eine folgenschwere Wendung. Der Verdacht kommt auf, dass Mrs. de Winter ermordet wurde.

Hitchcock spielt in seinem 1940 gedrehten Klassiker mit der Gewalt des Gedächtnisses, mit den Erinnerungen an den Tod, die letztendlich jedem Archiv essenziell ist - ich blicke hier in Richtung Derrida - , dem verwischen und wieder hervortreten von Spuren eines früheren "Verbrechens" und vor allem der Konstruktion verschiedener Identitäten mit Hilfe dieser Spuren.

Beispielsweise wird den ganzen Film über das Bild des verzweifelten Ehemannes vermittelt, der die junge Frau nur heiratet um die Lücke in seinem Leben wieder aufzufüllen. Erst mit dem auftauchen der Leiche wird dieser Figur eine gaz andere Identität verschafft. "Maxim'" ist nun nicht mehr der für den man ihn gehalten hat. Seine Figur wird umgeschrieben und zu einem Opfer der Umstände stilisiert. Ebenso die naive zweite Mrs. de Winter (die bezeichnenderweise den ganzen Film über diesen Namen trägt) erfährt eine Wandlung sobal neue Fragmente aus aus der Vergangenheit geborgen werden.

Dieser Aspekt lässt sich mit Freuds "Der Mann Moses" engführen, in welchem, am Beispiel der Gründungsgeschichte des israelischen Volkes, die psychologischen Mechanismen einer bestimmten Identitätsstiftung herausgestellt werden. Interessant ist diese Bestimmtheit nach Freud desshalb, weil sich zwischen der traumatischen Neurose und einer kollektiven Erinnerung (für die individuelle Erinnerung wird dann "Über Deckerinnerungen" zu Rate gezogen werden) der Indifferenzpunkt der Latenz steht.

To be continued....

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